Florian Salzgeber, Associate Partner von Synpulse Schweiz AG und Experte in Sachen NEOINSURANCE®-Framework, erklärt im Interview, welche Auswirkungen das neue VAG auf die Branche hat.


Herr Salzgeber seit Anfang Januar 2024 ist in der Schweiz das neue Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) in Kraft. Ist das für die Bancassurance relevant?

Ein wichtiger Teil der Änderungen des VAG und der Aufsichtsverordnung (AVO) sind tatsächlich für die Bancassurance relevant. Diese Änderungen setzen unter anderem die Fidleg-Verhaltenspflichten für Versicherungen um und lehnen sich an diese an.

Ein zentrales Anliegen ist der verstärkte Kundenschutz, welcher ebenfalls Auswirkungen auf den Vertrieb von Versicherungsprodukten über Banken hat.

Was ändert sich für Banken, die Versicherungsprodukte vertreiben?

Es gibt einige Änderungen, aber die wichtigsten für Banken sind:

  • Es wird weiterhin zwischen abhängigen und unabhängigen Vermittlern unterschieden, aber Banken als Versicherungsvermittler müssen sich entscheiden, ob sie abhängig oder unabhängig sein möchten.
  • Für die unabhängigen Vermittler gelten strengere Regeln, wie etwa höhere Anforderungen für den Eintrag ins FINMA-Register und die Offenlegung ihrer Entschädigungen.
  • Es werden für alle Vermittler, egal ob abhängige oder unabhängige, höhere und formalisiertere Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung gestellt.
  • Für qualifizierte Lebensversicherungen, das sind im Prinzip Produkte mit einem Verlustrisiko im Spar-Teil, gelten spezielle und strengere Anforderungen.

Welche Bedingungen müssen unabhängige Vermittler erfüllen?

Unabhängige Vermittler müssen im Interesse ihrer Kunden handeln. Sie müssen sich ins Vermittlerregister der FINMA eintragen lassen und dafür gelten verschärfte Vorschriften. Neu sind auch Corporate Governance-Prinzipien definiert, also Mindeststandard für die Unternehmensführung.

Durch interne Vorschriften und eine angemessene Organisation muss sichergestellt werden, dass die Pflichten aus dem VAG erfüllt werden. Es gelten zudem Informationspflichten. Zum Beispiel müssen jährlich Kennzahlen und Angaben zur Tätigkeit an die FINMA übermittelt werden.

Betreffend «Unabhängigkeit» werden Verhaltensweisen definiert, welche nicht vereinbar sind mit dem Status eines unabhängigen Vermittlers, wie etwa Interessenskonflikte.

Kann man kurz zusammenfassen, was die Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung für Versicherungsvermittler nach sich ziehen?

Das ist eine schwierige Frage, es ist auch noch nicht ganz klar, wie das VAG und die Aufsichtsverordnung (AVO) genau umgesetzt werden. Im Gesetz steht, dass Versicherungsvermittler über die für ihre Tätigkeit notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen müssen und dass die Branche den Mindeststandard definieren und deren Einhaltung kontrollieren wird.

Wenn die Branche das nicht schafft, muss der Bundesrat tätig werden. Die Ausbildung muss jedenfalls nachgewiesen werden.

Welche Anforderungen gelten neu für qualifizierte Lebensversicherungen?

Es gelten verschiedene Informationspflichten, insbesondere ein Basisinformationsblatt (BIB) abzugeben, welches eine Vergleichbarkeit mit anderen Produkten ermöglicht. Es muss früh genug im Vertriebsprozess abgegeben werden, um den Kunden zu ermöglichen, es vor Vertragsabschluss zu verstehen.

Zudem muss eine Angemessenheitsprüfung durchgeführt werden. Eine Eignungsprüfung, wie im FIDLEG wird im Gesetz nicht verlangt, aber durch die AVO de facto doch eingeführt. Es muss eine Kundendokumentation geführt werden.

Und was ändert sich für die Versicherungen?

Die wichtigen Änderungen für Versicherungsunternehmen betreffen die qualifizierten Lebensversicherungen:

  • Es muss ein Basisinformationsblatt (BIB) erstellt und für die ganze Laufzeit verfügbar gehalten werden. Das BIB muss bestimmte Spezifikationen nach Art. 129b der neuen AVO erfüllen, um die wesentlichen Eigenschaften des Versicherungsproduktes zu beschreiben. Was in der Branche auch zu reden gibt, sind die individualisierten Beispielrechnungen unter verschiedenen Renditeszenarien («günstig», «mittel», «ungünstig»).
  • Zudem müssen Versicherungsunternehmen offenlegen, wenn sie Entschädigungen Dritter erhalten.
  • Die Angemessenheitsprüfung, die schon erwähnt wurde, betrifft nicht nur die vermittelnde Bank, sondern auch die Versicherungsunternehmen.

Diese Änderungen machen es notwendig, nicht nur Produktinformationen anzupassen, sondern auch das Target Operating Model (Prozesse, Aus- und Weiterbildung, Dokumentation, Organisation, etcetera) zu überprüfen.


  • Für weiterführende Gespräche zu dem Thema wenden Sie sich bitte an Florian Salzgeber, Synpulse.