Susan Kasser ist eine der ganz wenigen hochrangigen Frauen im Private-Equity-Geschäft. Im Interview mit finews.ch sagt sie unverblümt, was sie von Mentoren und Quoten hält.

Susan Kasser, Sie sind als Co-Leiterin Private Credit bei Neuberger Berman in einem klar von Männern dominierten Finanzbereich. Bereitet Ihnen das Schwierigkeiten?

Mich dünkt, es gibt einen tiefen Graben zwischen den Vorstellungen, dass die Private-Equity-Industrie eine nicht sonderlich erstrebenswerte Karriere ermöglicht und meinen persönlichen, sehr positiven Erfahrungen.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigte, dass Frauen weniger als 10 Prozent der Investment-Profis in Private Equity ausmachen. Wie haben Sie diese Hürde überwunden?

Es war eine Mischung von richtigen Entscheidungen und Glück. Das erste Mal Glück hatte ich, als ich in einem Private-Equity-Bereich von Goldman Sachs ein Vorstellungsgespräch hatte. Davor hatte ich nicht wirklich viel Ahnung über Private Equity. Doch nach etwa zwei Jahren im Geschäft hatte ich einen guten Überblick gewonnen.

Sie sagen, Sie hatten zu Beginn etwas Glück. Doch die Wall Street ist insgesamt ein hartes Pflaster. Wie erlebten Sie das?

Ich kann nicht verneinen, dass mir gewisse Bereiche auch Angst gemacht haben. Meine Interessen in meinen ersten Job lagen beim Research. Das war teilweise auch dem Umstand geschuldet, dass der Einstieg dort etwas leichter ist.

«Das Modell mit Mentoren hat seine Gefahren»

Dabei ist es vollkommen normal, wenn man sich zu Beginn in dieser Umgebung etwas unwohl fühlt. Wie lässt sich dieses Unbehagen überwinden, um wirklich das zu tun können, was man will? Ich glaube, durch die eigenen Fähigkeiten und durch Erfahrung.

Auch mit Hilfe von Mentoren?

Ich glaube, das Modell mit Mentoren, die einen beschützen und den Weg weisen, hat seine Gefahren. Es kann vorkommen, dass man lange auf irgendwelche Fortschritte wartet, die sich einfach nicht einstellen.

Würden Sie empfehlen, stärker auf ein eigenes Netzwerk zu setzen?

Eine erfahrene Managerin, für die ich einmal arbeitete, sprach oft davon, dass Frauen im Prinzip einen persönlichen Verwaltungsrat bräuchten. Anstatt dass es ein einzelner Mentor ist, der einem die Türen öffnet, sind es eine Reihe von Leuten, die in den verschiedenen Stadien Ihrer Karriere die spezifischen Kenntnisse für Sie einsetzen.

Waren Ihre Vorgesetzten hauptsächlich Frauen?

Nein. Ich halte es nicht für die beste Lösung, Teams zu bauen, die ausschliesslich aus Frauen bestehen.

Warum nicht?

Wenn es schon so ist, dass es hauptsächlich Männer sind, welche die Top-Positionen in Private-Equity-Unternehmen innehaben, dann müssen wenigstens die Netzwerke geschlechterübergreifend sein.

«Manchmal muss man die kleinen Schritte wählen»

Es braucht eine offene Mentalität, um die richtigen Leute, egal ob Mann oder Frau, in einer Einheit zusammen zu bringen, die ich als Koalition der Willigen bezeichne.

Eine Koalition, die Sie unterstützt?

Wenn Sie versuchen, in Ihrem Umfeld eine spezielle Aufgabe zu vollenden, dann kann es notwendig sein, eine Koalition zu bilden, um dies zu erreichen. Ich glaube, wenn Leute zu viel Zeit damit verbringen, diese eine magische Verbindung mit einem Mentor aufzubauen, dann verpassen sie viele kleinere Chancen, die aber einfacher zu packen wären. Manchmal muss man die kleinen Schritte wählen.

In der Finanzindustrie dominieren immer noch die «Old Boys Clubs» und die von Männern dominierten Netzwerke. Wie sollten Frauen damit umgehen?

Wie wäre es, wenn im Diversity Training auch darüber gesprochen würde, wie man die eigenen Vorurteile überwindet? Es ist ja gut möglich, dass Ihr männlicher Gegenpart auch Kinder hat, sich vielleicht gerne in der Natur bewegt oder wie Sie auch gerne ein Buch liest. Man sollte die Gemeinsamkeiten finden.

Ist es Ihnen dadurch gelungen, Gründungsmitglied des Bereichs Corporate Mezzanine bei der Carlyle Group zu werden.

Ich war zunächst Associate und dadurch kam ich auf den Geschmack, etwas Neues zu gründen. Nicht als eine der Managerinnen, sondern als junge ehrgeizige Person, die sich glücklich schätzte, von allem ein bisschen etwas zu verstehen.

«Wer etwas begehrt, muss selber den Weg finden»

Leuten, die sich daran versuchen, Hürden zu überspringen, empfehle ich immer wieder, nach Möglichkeiten auszuschauen, wo sie als Individuen Wertschätzung erfahren können. Das kann auch bedeuten, dass man zunächst Teil von etwas Kleinerem wird.

Sie sagen, Sie hatten Glück in Ihrer Karriere. Was ist mit den Frauen, denen sich die Türen nicht öffnen?

Ich halte es für eine falsche Idee, dass es Leute geben sollte, die einem die Türen öffnen. Sie müssen die Türen finden. Und wenn sie diese Türe nicht finden, müssen Sie halt nach einem Fenster Ausschau halten, durch welches Sie klettern können.

Mut und Entschlossenheit sind wichtige Faktoren?

Wenn wir darüber sprechen, dass es nur ganz wenige Frauen ins Management der zehn grössten Private-Equity-Firmen schaffen, dann ist das nur die Spitze des Eisberges. Ich weiss nicht, woher die Vorstellung kommt, dass jemand einfach eine Tür öffnet, Sie willkommen heisst und im Konzert mitspielen lässt.

Wie können Frauen denn besser mitspielen?
Wer etwas begehrt, muss selber einen Weg finden, dorthin zu kommen. Öffnet sich keine Türe, kann man sich seinem persönlichen «Verwaltungsrat» oder der Koalition der Willigen zuwenden und fragen: Hat jemand von Euch eine Idee?

Wie denken Sie über eine Frauenquote in der Finanzindustrie?

Ich glaube, in manchen Bereichen wäre eine Art Quote hilfreich. Aber im Allgemeinen stehe ich der Quoten-Idee kritisch gegenüber, da sie eine Wahrnehmung schaffen kann, dass manche Individuen Positionen erhalten, für die sie sich sonst nicht qualifizieren würden. Ich würde es vorziehen, dass eine Qualifikation auf Basis von Kompetenzen und Erfahrungen vollzogen wird.

Was für Personal suchen Sie?

Wir suchen nach «Pferdestärken» mit hohem Arbeitsethos, Intellekt und professioneller Neugierde. Viele Leute machen diesen Job, weil er lukrativ ist. Das ist für mich okay, aber um den Job wirklich gewissenhaft zu machen, braucht man Leidenschaft, Neugierde und die Bereitschaft, mit ihrem Verstand zu sprechen.


Susan Kasser ist Co-Head Private Credit im Privat-Equity-Arm des US-Asset-Managers Neuberger Berman. Kasser blickt auf eine über 20 Jahre andauernde Karriere an der Wall Street zurück, die sie bei Goldman Sachs im Bereich Leveraged Finance startete.