Die Welt von heute ist von zunehmenden geopolitischen Spaltungen geprägt, mit Folgen für die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte. Wie sollen Anlegerinnen und Anleger darauf reagieren? In ihrem Beitrag für finews.first analysiert Nannette Hechler-Fayd’herbe sechs treibende Kräfte.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


«Dynamiken, die drohen, am Ende alle zu Verlierern zu machen» – so beschreibt der Bericht der Münchner Sicherheitskonferenz 2024 den heutigen ernsten Zustand der internationalen Beziehungen. Viele Regierungen, so der Bericht, sehen die Vorteile der internationalen Kooperation nicht mehr.

Indem sie ihre eigenen Interessen verfolgen, untergraben sie möglicherweise viele Vorteile der Zusammenarbeit. In einer zutiefst gespaltenen Welt müssen sich Anleger darüber im Klaren sein, was dies für die Weltwirtschaft und Investitionen bedeutet.

»In der heutigen Welt sind die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Lieferketten viel wichtiger»

Eine gespaltene Welt heisst nicht, dass kein Wachstum möglich ist. In der Vergangenheit haben Phasen mit einer protektionistischeren Politik zu einem recht robusten Wirtschaftswachstum geführt. Die Produktivität kann in manchen Jahren sogar steigen, nachdem unabhängig Innovationen und technologische Durchbrüche erzielt wurden.

Aber in der heutigen Welt sind die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Lieferketten viel wichtiger. Während dies das «Friendshoring» fördert, versuchen konkurrierende Mächte einander davon abzuhalten, in strategischen Branchen wie Technologie, Verteidigung und Pharma einen Vorsprung zu erzielen. Die Folgen sind eine geringere globale Kooperation, ein schwächerer multilateraler Handel und ein niedrigeres Potenzialwachstum im Laufe der Zeit.

Unsere Prognosen für die Wachstumsraten der Industrieländer im Jahr 2024 liegen alle bei 1 Prozent bis 2 Prozent. In einer gespaltenen Welt hängt ein nachhaltiges Wachstum viel mehr von einzelnen Stärken ab, etwa von soliden fiskalpolitischen Fundamentaldaten, einem flexiblen Arbeitsmarkt und der Fähigkeit, auf Schocks zu reagieren. Länder, die sich nicht anpassen können, laufen Gefahr, zum «kranken Mann» in einer gespaltenen Welt zu werden, weil externe Quellen zur Stabilisierung nicht mehr ohne Weiteres zugänglich sind.

«Derzeit erleben wir eine höhere Inflation als im goldenen Zeitalter der Globalisierung»

Eine gespaltene Welt bedeutet nicht zwangsläufig eine höhere Inflation, aber sie geht unter Umständen mit einer volatileren Inflation einher. Derzeit erleben wir eine höhere Inflation als im goldenen Zeitalter der Globalisierung, als die Deflation ein Hauptproblem war. Doch wir spüren immer noch die Auswirkungen des Angebotsschocks nach Covid, der die Inflation bei Gütern und Dienstleistungen vorübergehend in die Höhe trieb.

Mittlerweile hat sich die Inflation bei Gütern normalisiert, und die Preise für Dienstleistungen folgen nach. Aber durch die Politik kann sich das Bild schnell ändern. Neue Handelszölle, Änderungen der Einwanderungsdynamik, eine höhere Energieproduktion aus fossilen Brennstoffen und Steuersenkungen für Unternehmen: Dies alles könnte unter einer potenziellen Trump-Regierung zu Preisschwankungen führen und die Inflationsvolatilität anheizen.

«Dies steht in Kontrast zu den vergangenen zehn Jahren»

Wenn die Inflationserwartungen unsicherer werden, verlangen die Zinsmärkte eine Risikoprämie. Die Leitzinsen der Notenbanken befinden sich nun auf höheren Gleichgewichtsniveaus als in der Zeit der Globalisierung. Zudem beinhalten die Anleihenrenditen für verschiedene Laufzeiten eine Risikoprämie und sind träger.

Wir erwarten, dass die Zinsen in den USA am Ende des Zinssenkungszyklus im Jahr 2025 3,5 Prozent und in der Eurozone, im Vereinigten Königreich und in der Schweiz 1,5 Prozent, 2,5 Prozent respektive 1,0 Prozent betragen. Dies steht in Kontrast zu den vergangenen zehn Jahren, als die Notenbankzinsen in Europa zwischen -0,75 Prozent und 1 Prozent und in den USA unter 2,5 Prozent lagen.

«Die Vermögensallokation in einer gespaltenen Welt präsentiert sich ganz anders»

In der Ära der Globalisierung wurde oft beklagt, dass es keine Alternativen zu Aktien gebe. Die Vermögensallokation in einer gespaltenen Welt präsentiert sich ganz anders. Wir prognostizieren für Aktien aus Industrieländern im Jahr 2024 durchschnittliche Renditen im mittleren einstelligen Bereich. Bei aktuellen Renditen auf Verfall von 4,3 Prozent für US-Staatsanleihen und von 2,4 Prozent für deutsche Bundesanleihen könnten 2024 ähnliche oder sogar noch höhere erwartete Erträge resultieren, zumal die Anleihenkurse mit sinkenden Renditen steigen.

Festverzinsliche als Anlageklasse dürften daher ein grosses Comeback in den Portfolios der Anleger haben, wobei alternative Anlagen und Cash ähnliche Renditen bieten. Den Anlegern stehen nun viele Alternativen zur Verfügung, um ein gut diversifiziertes Portfolio aufzubauen. Entscheidend dabei ist, dass Investoren bei gegebenen Renditeerwartungen von einer niedrigeren Volatilität und einem geringeren Risiko ausgehen können.

«Diese Risiken wollen globale Investoren schlicht nicht eingehen»

In einer gespaltenen Welt sind Sanktionen, die ein Block gegen einen anderen verhängt, nicht nur ein Risiko für die Lieferketten, sondern auch für globale Finanzanlagen. Die Abflüsse aus dem chinesischen Aktienmarkt wurden durch ein hartes Durchgreifen der chinesischen Regulierer im Jahr 2022 ausgelöst; danach hielten sie wegen der angespannten Beziehungen zwischen den USA und China an.

Diese Risiken wollen globale Investoren schlicht nicht eingehen. In einer gespaltenen Welt wenden sich die Länder für den Handel und Investitionen ihren Freunden zu, während sie ihre Konkurrenten meiden. Dies überschattet die rein wirtschaftliche Logik. Da globale Anlagemöglichkeiten zusätzliche Risiken bergen, könnte es jetzt sicherer sein, die Gewichtung inländischer Vermögenswerte in den Portfolios zu erhöhen.

«Eine Welt mit geopolitischen Blöcken könnte zu einem schwächeren multilateralen Handel führen»

Wenn der Anteil inländischer Vermögenswerte in Portfolios erhöht wird, müssen zusätzliche Faktoren zur Diversifizierung in Betracht gezogen werden. Insbesondere Gold hat seine eigenen Treiber. Es korreliert mit wenigen anderen Vermögenswerten und kann somit zur Diversifizierung beitragen. Für Anleger mit einer angemessenen Risikotoleranz und einem längeren Zeithorizont sind auch Private Assets – oder nicht börsennotierte Anlagen – als separate Quelle für Risikoprämien und Renditen von Bedeutung.

Eine Welt mit geopolitischen Blöcken, die in strategischen Branchen miteinander konkurrieren, könnte im Laufe der Zeit zu einem schwächeren multilateralen Handel und geringerem Wachstum führen. Wir rechnen in den Industrieländern für 2024 mit einem Wachstum von 1 Prozent bis 2 Prozent. Wir erwarten eine volatilere Inflation und etwas höhere Notenbankzinsen als zu Zeiten der Globalisierung.

Für die Anleger bedeutet eine höhere Risikoprämie, dass erstklassige Anleihen und Cash jetzt attraktive Alternativen zu Aktien darstellen. Angesichts der Risiken einer fragmentierten Welt haben wir die Gewichtung inländischer Finanzanlagen in den Portfolios erhöht. Für geeignete Anleger sind alternative Anlagen und Private Assets nützliche Quellen der Portfoliodiversifizierung.


Nannette Hechler-Fayd’herbe is Head of Investment Strategy, Sustainability and Research, CIO EMEA bei der Schweizer Privatbank Lombard Odier.


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